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Statine absetzen: Wann die Risiken die Nebenwirkungen aufwiegen

06. Oktober 2025

Statine gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Sie senken den Cholesterinspiegel und beugen damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Doch was passiert, wenn man Statine absetzt? Gibt es Alternativen? Und wie erkennt man, ob das Absetzen überhaupt infrage kommt?

In diesem Artikel erklären wir verständlich und unter Verwendung seriöser Quellen, was Sie wissen müssen – von den Risiken über mögliche Alternativen bis hin zu Tipps für den Alltag.

Was sind Statine?

Statine sind Medikamente, die die Produktion von Cholesterin in der Leber reduzieren. Das funktioniert, indem sie das Cholesterin-Synthese-Enzym hemmen. Daher nennt man Statine auch CSE-Hemmer.

Allein in Deutschland erleiden rund 300.000 Menschen pro Jahr einen Herzinfarkt. Da ein hoher Cholesterinspiegel das Risiko dafür erhöht, werden Statine als Cholesterinsenker sehr häufig verschrieben.

Wie wirken Statine?

Statine blockieren ein Enzym in der Leber (HMG-CoA-Reduktase), das für die Cholesterinbildung zuständig ist. Dadurch sinkt der LDL-Wert im Blut, während das „gute“ HDL-Cholesterin oft leicht ansteigt.

Anwendungsgebiete

Statine senken den LDL-Cholesterinwert. Sie können das LDL um bis zu 20–60% senken.

LDL ist das oft als "schlechtes Cholesterin" bezeichnete Cholesterin, das das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen erhöht, und sich negativ auf Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) auswirkt. Statine werden also vor allem eingesetzt, um diese Risikofaktoren zu verringern.

Warum wollen Patienten Statine absetzen?

Grund 1: Nebenwirkungen – Die Sache mit der Nocebo-Studie

Nebenwirkungen sind der häufigste Grund, warum Patienten Statine absetzen oder reduzieren möchten. Das häufigste Symptom sind hier bei Muskelschmerzen und Krämpfe. Bis zu einem Drittel der Einnehmenden berichtet über diese Nebenwirkung – die Wissenschaft ist sich allerdings über die Einflüsse hierbei uneinig und es gibt Studien, die sie als deutlich seltener einstufen. Dort wurde festgestellt, dass häufig Beschwerden auf die Einnahme von Statinen zurückgeführt werden, die damit eigentlich gar nichts zu tun haben.

Mann hält sich das schmerzende Bein wegen Muskelschmerz
Foto von Kindel Media

Weitere mögliche unerwünschte Nebeneffekte von Statinen sind:

  • Muskelschwäche
  • Entzündungen in den Muskeln und weitere Muskelprobleme
  • Erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes
  • Sehr selten, aber gefährlich: Rhabdomyolyse

Nicht jede Nebenwirkung erfordert ein Absetzen. Viele Beschwerden klingen nach einigen Wochen ab oder lassen sich durch Dosisanpassung, Wechsel des Wirkstoffs oder Begleittherapien lindern. Ein ärztlich begleiteter Auslassversuch ist sinnvoll, wenn:

  • Die Beschwerden die Lebensqualität stark einschränken (z. B. chronische Muskelschmerzen).
  • Schwere Nebenwirkungen auftreten (z. B. Rhabdomyolyse, starke Leberwerterhöhung).
  • Alternativen (z. B. Ezetimib, PCSK9-Hemmer) verfügbar sind.

Grund 2: Konflikt mit anderen Medikamenten

Wenn der/die Patient:in auf ein Medikament angewiesen ist, das sich nicht mit Statinen verträgt, kann das ein Grund sein, Statine nicht weiter einnehmen zu wollen. Wechselwirkungen bestehen bei Statinen zum Beispiel mit:

  • Bestimmten Antibiotika (z.B. Rifampicin)
  • Dem Immunsuppressivum Cyclosporin
  • Warfarin (einem Gerinnungshemmer)

Grund 3: Sorge vor Langzeitfolgen – Besteht hier ein Risiko?

Viele Patient:innen haben Angst vor möglichen Spätfolgen einer langjährigen Statin-Einnahme. Eine häufige Sorge ist, dass die langfristige Einnahme von Statinen zu Diabetes führt.

Tatsächlich kann die Einnahme von Statinen die Glukosetoleranz etwas beeinträchtigen. Allerdings wird dieses Risiko in den meisten Fällen von der starken Verringerung des Risikos für Herz-Kreislauferkrankungen bei den betroffenen Personen mehr als aufgewogen.

Auch Leberschäden, Auswirkungen auf die Gesundheit des Gehirns und Krebsrisiko sind häufige Sorgen. Allerdings sind diese in den meisten Fällen unbegründet:

  • Statine können die Transaminase-Werte erhöhen, aber es besteht kein Grund zur Sorge um eine Leberzirrhose oder irreversible Schäden.
  • Statine führen nicht zu Demenz oder anderen Erkrankungen am Gedächtnis. Gedächtnisprobleme als Nebenwirkungen sind sehr selten und vorübergehend.
  • Statine verursachen keinerlei erhöhtes Krebsrisiko.

Sprechen Sie eventuelle Sorgen bei Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin an und besprechen Sie das richtige Abwägen in Ihrem individuellen Fall.

Grund 4: Subjektives Wohlbefinden: Wenn der deutliche Nutzen ein schlechtes Gefühl nicht aufwiegen kann

Nicht alle Gründe für ein Absetzen sind medizinisch messbar. Eine langfristige Medikamenteneinnahme führt bei einigen Menschen zu einem allgemeinen Unwohlsein, das sie mit der Statin-Einnahme in Verbindung bringen – auch wenn Laborwerte und klinische Untersuchungen keine Auffälligkeiten zeigen. Die tägliche Einnahme eines Medikaments kann als Belastung empfunden werden, die die betroffene Person ständig daran erinnert, sich als "krank" wahrzunehmen.

Zu diesem Problem gehört auch der Nocebo-Effekt: Studien zeigen, dass Patienten, die über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt werden, häufiger Beschwerden entwickeln – selbst wenn sie ein Placebo einnehmen. In manchen Fällen kann ein "Blindtest", bei dem Sie nicht wissen, ob Sie das Medikament oder ein Placebo nehmen, dabei helfen. Andernfalls empfehlen wir offene Kommunikation mit Ihrer ärztlichen Betreuung. Ihre medizinische Behandlung muss dauerhaft funktionieren, und das tut sie meist nur, wenn Sie sie akzeptieren können und selbst bereit sind, mitzuwirken.

Grund 5: Kosten bei Selbstzahlern – Ein Vorteil beim System in Deutschland

In Deutschland übernehmen die Krankenkassen die Kosten für Statine – aber nicht überall. Selbstzahler (z. B. in einigen privaten Krankenversicherungen oder im Ausland) müssen die Kosten selbst tragen. Und die können sich summieren. Gute Tipps in solchen Fällen sind das Ausweichen auf Generika statt Markenpräparaten und die Nutzung von Apotheken-Rabatt-Verträgen mit Krankenkassen.

Wichtig: Setzen Sie Statine niemals eigenmächtig ab.

Die Gründe, warum jemand ein Medikament nicht mehr nehmen möchte, können vielfältig sein. Ein Absetzen sollte jedoch niemals eigenmächtig erfolgen. Studien zeigen, dass ein plötzlicher Stopp das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle innerhalb weniger Monate deutlich erhöhen kann.

Was passiert im Körper, wenn wir Statine absetzen?

Kurzfristige Folgen (Wochen bis Monate)

  • LDL-Cholesterin steigt an (oft auf den Ausgangswert vor der Therapie)
  • Entzündungsmarker (z. B. CRP) können sich verschlechtern
  • Gefäßfunktion kann sich verschlechtern

Langfristige Risiken

  • Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse (bis zu 30 % höheres Risiko bei abruptem Absetzen, Studie: European Heart Journal, 2022)
  • Fortschreiten der Arteriosklerose (Gefäßverkalkung)

Ausnahme: Bei manchen Patienten (z. B. mit sehr niedrigem Risiko oder starken Nebenwirkungen) kann ein kontrolliertes Aussetzen unter ärztlicher Aufsicht sinnvoll sein.

Wann darf man Statine absetzen?

Ein Absetzen kommt nur in bestimmten Fällen infrage:

  • Bei starken Nebenwirkungen, die nicht anders behandelbar sind (z. B. schwere Myopathie)
  • Bei sehr niedrigem kardiovaskulärem Risiko (z. B. junge Patient:innen ohne Vorerkrankungen)
  • Auf Wunsch nach Rücksprache mit dem Arzt/der Ärztin

Selbst wenn Sie Statine absetzen, sollten regelmäßige Kontrollen (Cholesterin, Leberwerte, Blutdruck) erfolgen.

Alternativen zu Statinen: Was senkt das Cholesterin?

1. Statt Statin – ein anderes Statin!

Es gibt viele verschiedene Statine, und viele Menschen vertragen manche davon besser als andere. Gerade, wenn der Grund für das Absetzen Nebenwirkungen sind, lohnt es sich, zuerst einmal auf ein anderes Statin auszuweichen. Dazu wird in Absprache mit dem Arzt/der Ärztin meist eine Therapiepause gemacht und dann die Statintherapie mit einem anderen Statin begonnen, um gut beurteilen zu können, ob der erneute Therapieversuch ebenfalls Nebenwirkungen auslöst.

2. Lebensstiländerungen

Eine gesunde Lebensweise kann den LDL-Cholesterinspiegel deutlich verbessern. Drei Faktoren spielen dabei eine besonders wichtige Rolle:

  • Eine mediterrane Ernährung gilt als eine der wirksamsten Maßnahmen zur natürlichen Senkung des LDL-Cholesterins. Sie zeichnet sich durch einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren (z. B. aus Olivenöl, Nüssen und fettem Fisch wie Lachs oder Makrele), viel Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte aus.
  • Regelmäßige Ausübung körperlicher Aktivität hat einen direkten Einfluss auf den Fettstoffwechsel. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt mindestens 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche, etwa durch zügiges Gehen, Radfahren oder Schwimmen. Ausdauersport fördert nicht nur die Durchblutung, sondern erhöht auch das „gute“ HDL-Cholesterin und senkt gleichzeitig das „schlechte“ LDL. Selbst Spaziergänge von 30 Minuten täglich können bereits messbare Effekte zeigen.
  • Übergewicht begünstigt hohe Cholesterinwerte und Entzündungsprozesse im Körper. Schon ein Gewichtsverlust von 5–10 % kann die Blutfettwerte deutlich verbessern.

Wichtig: Ob Lebensstiländerungen oder pflanzliche Mittel – keine Alternative ersetzt Statine vollständig, wenn diese medizinisch notwendig sind.

3. Pflanzliche Alternativen

Pflanzliche Mittel sind natürlich nicht so stark wirksam wie verschreibungspflichtige Medikamente, können aber in Kombination mit einer gesunden Lebensweise wertvolle Unterstützung bieten. Wie immer gilt: Setzen Sie bitte Medikamente nicht eigenständig ab, sondern besprechen Sie mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin, ob Sie Maßnahmen zur Unterstützung versuchen können und ob diese in Ihrem Fall vielleicht ausreichen können.

Roter Hefe-Reis ist eines der am besten untersuchten natürlichen Mittel zur Senkung des LDL-Cholesterins. Er enthält von Natur aus Lovastatin, einen Wirkstoff, der auch in einigen Statinen vorkommt. Wichtig: Wie gut dies wirklich wirkt, ist umstritten. Außerdem: Nicht alle Produkte auf dem Markt sind gleich wirksam, daher sollte man auf standardisierte Extrakte achten.

Roter Reis auf einem Holzlöffel, Nahaufnahme gesunder roter Reiskörner
Foto von Polina Tankilevitch

Artischockenextrakt wird traditionell zur Unterstützung der Leberfunktion eingesetzt. Die Artischocke enthält Cynarin, einen Bitterstoff, der die Gallensäureproduktion anregt und so indirekt den Cholesterinspiegel senken kann. Die Wirkung ist zwar moderater als bei Statinen oder Rotem Hefe-Reis, aber dafür ist der Extrakt gut verträglich.

Flohsamenschalen sind eine weitere natürliche Option. Sie enthalten lösliche Ballaststoffe, die im Darm Gallensäuren binden und so deren Rückresorption hemmen. Da der Körper für die Neuproduktion von Gallensäuren Cholesterin verbraucht, sinkt der LDL-Spiegel.

4. Andere Medikamente (nur nach ärztlicher Verordnung)

  • Coenzym Q10: Kann laut kleineren Studien die Nebenwirkung der Muskelschmerzen reduzieren, sodass das Statin weiter eingenommen werden kann
  • Ezetimib (z. B. Ezetrol®): Hemmt Cholesterinaufnahme im Darm
  • PCSK9-Hemmer (z. B. Repatha®): Für Hochrisikopatienten mit Statin-Unverträglichkeit
  • Fibrate (z. B. Fenofibrat): Senkt Triglyceride, weniger wirksam bei LDL

Fazit: Statine absetzen – ja oder nein?

Statine sind wirksame Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels und zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dennoch entscheiden sich viele Patienten dafür, sie absetzen zu wollen. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von konkreten Nebenwirkungen über psychologische Faktoren bis hin zu praktischen Überlegungen.

Ein Absetzen sollte immer ärztlich begleitet werden. Alternativen (Ernährung, Bewegung, pflanzliche Mittel) können helfen, aber nicht immer ersetzen.

Ihr nächster Schritt: Sprechen Sie mit Ihrem Arzt/Ärztin oder Apotheker:in über Ihre individuellen Optionen. In Ihrer Nähe gibt es spezialisierte Apotheken, die Sie zu Alternativen und Begleittherapien beraten können.

 

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